In einem meiner Lieblingspodcasts, „Servus. Grüezi. Hallo.“ tauchte kürzlich der Begriff „Schnellbleiche“ auf. Es ging um einen Crashkurs, mit dem Schweizer Pflegepersonen für die Intensivstation ausgebildet werden sollten, natürlich im Zusammenhang mit Covid-19. Ich wunderte mich, als sowohl Lenz Jacobsen (Deutschland) wie Florian Gasser (Österreich) mit dem Begriff nichts anfangen konnten. Bin ich schon so verschweizert? Ist es nicht klar, dass eine Schnellbleiche ein Kurzlehrgang ist, für den wenig Zeit bleibt?
Tatsächlich kannte schon das Grimm’sche Wörterbuch die Schnellbleiche. Allerdings in ihrer ursprünglichen Bedeutung, „schnelles Bleichen und die Einrichtung dazu, Chlorbleiche, Kunstbleiche im Gegensatz zur Rasenbleiche“. Im Schweizerischen Idiotikon nennt Band V59/60 (gedruckt 1901) die „Schnell-Bleiki“ oder „G’schwind-Bleiki“ mit einer eher negativen Konnotation (‘s isch uf der Schnell-Bleiki g’gange – „von einer flüchtigen Arbeit“). Wann und wie der Ausdruck von der Wäsche auf das Lernen übertragen wurde, konnte ich nicht ermitteln.
In Deutschland vermeldet das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache eine seltene Verwendung und zeigt sogar Verlaufskurven für sein Vorkommen im untersuchten Korpus (zu dem auch „Die Zeit“ gehört): Demnach hatte die Schnellbleiche einen ersten Höhepunkt zwischen den 1880er-Jahren und etwa 1950. Beim gebürtigen Rostocker Walter Kempowski hatten beispielsweise Lehrer „als Spätberufene eine Schnellbleiche durchgemacht“ („Immer so durchgemogelt“, 1974). Mit dem Wirtschaftswunder sank offenbar der Bedarf für Schnellkurse – bis zu den 90er-Jahren. Ihre höchste Popularität hatte die Schnellbleiche nicht etwa im Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung, sondern im ersten Jahrzehnt des aktuellen Jahrtausends.
Seit zehn Jahren befindet sich die Schnellbleiche in Deutschland im Sinkflug, während sie in der Schweiz weiter gängig ist – teils negativ (Betroffene wehrten sich „Gegen die Schnellbleiche“ von HeilpädagogInnen) , teils neutral („Eine Schnellbleiche in schweizerischer Demokratie klärt darüber auf…“). Doch gelegentlich wird auch nördlich des Rheins noch schnell gebleicht, beispielsweise, laut „Kontext“, die Südwest-CDU im Sommer 2016 in Sachen Moderne.
Während in Deutschland der Crashkurs die Nachfolge der Schnellbleiche angetreten ist, besuchen Österreicher, wenn es eilig ist, dem „Schnellsiedekurs“ (oder Schnellsiederkurs). Zum Beispiel in der Kleinen Zeitung Steiermark über den neuen Tiroler Bischof im Dezember 2017: „Das Steirische dominiert auch nach zwei Monaten ‚Schnellsiedekurs‘ in Tirolerisch seine Stimme.“
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