Spiesser (genauer gesagt Spießer, so eine Schweizer Tastatur hat bei französischen Wörtern Vorteile, ein scharfes s einzugeben ist aber ziemlich mühsam) – also, Spießer sind das deutsche Gegenstück zu Bünzlis. Kennt man. Aber wie lang die Spiesse sind, darüber macht man sich im grossen nördlichen Kanton (Schweizer Spottname für Deutschland) keine Gedanken. Na gut, höchstens beim Grillieren, äh Grillen.
Schweizer hingegen wissen spätestens seit der Schlacht von Sempach, was es mit längeren und kürzeren Spiessen auf sich hat. Für alle Nichtschweizer: Der legendäre Volksheld Arnold Winkelried warf sich 1386 mit dem Ruf „Sorgt für mein Weib und meine Kinder“ in die gegnerischen (langen) Spiesse, um so eine Bresche zu schlagen und die Schlacht für die Eidgenossen zu entscheiden. So erzählt man sich zumindest.
Seitdem jedenfalls weiss man in der Schweiz: Wer längere Spiesse hat, ist im Vorteil. Dementsprechend häufig fordern Schweizer nach gleich langen Spiessen – die frühere Finanzministerin Evelyne Widmer-Schlumpf in einem Kommentar zum Finanzplatz von 2013 gleich viermal, hier nur ein Beispiel: „Entscheidend für die Schweiz ist die Herstellung gleich langer Spiesse zwischen den Staaten und zwischen den verschiedenen Finanzplätzen.“
Wörtlich genommen, eine witzige Vorstellung. Aber was haben die Deutschen diesem plastischen Bild entgegenzusetzen? Mir fällt nichts ein. Dort redet man einfach von gleichen Chancen – und hofft in einer fast aussichtlosen Situation, den Spiess doch noch umzudrehen.
Übrigens, ein Spiess kann auch klein und lästig sein – wenn er im Fuss steckenbleibt als das, was Deutsche Splitter oder auch Spreissel nennen.
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