Vor einer Weile las ich in einem Artikel über Fremdgehen in diversen Ländern, in der Schweiz käme das nur selten vor. Seitensprünge würden durch übermässigen Alkoholgenuss begünstigt, doch klappe das nicht oft in einem Land, in dem der Wein aus Minigläsern getrunken wird wie anderswo der Schnaps. Man könnte noch hinzufügen, dass ein Dezi Wein, also 0,1 Liter, etwa so viel kostet wie eine Flasche in einem deutschen Supermarkt oder ein Viertel(e) in Süddeutschland. Dafür gibt es in der Schweiz auch Schweizer Wein, den man sonst nirgends findet.
Sind die Mengen auch gering, auf jeden Fall wird der Wein stilvoll serviert. Hat man genug bestellt, giesst der Kellner regelmässig nach. (In Italien mussten wir uns wieder daran gewöhnen, dass wir im Restaurant plötzlich selbst eingiessen mussten.) Traut man sich keine ganze Flasche zu, bringt er eine stilvolle Karaffe – ich habe sogar schon ein Dezi mit Karaffe serviert bekommen: Glas und Karaffe werden gebracht, das Glas wird stilvoll und präzise befüllt; dann nimmt der Kellner die Karaffe wieder mit.
Gelegentlich bestellen wir vier Dezi Wein, für jeden zwei – aber im Gegensatz zu Zweierli und Dreierli, die es sogar ins Wörterbuch geschafft haben, gibt es vier Dezi so gut wie nie. Auch wenn der Preis pro Dezi angegeben wird und eigentlich jedes Vielfache davon im Angebot sein sollte. Aber wenn man keine Vier-Dezi-Karaffe hat, ist es offenbar undenkbar, eine grössere Karaffe einfach nur mit vier Dezi zu befüllen.
Foto: Julia Franke
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