München wird in Deutschland ja gerne als „norditalienische Stadt“ bezeichnet, aber ich behaupte: Die wirklichen italienischen Städte im deutschsprachigen Raum liegen in der Deutschschweiz. Zwar darf man auch in München Tomatensalat mit Mozzarella und Basilikum „Caprese“ nennen, ohne der Angeberei bezichtigt zu werden. Aber wie nennen Sie die scharfen Chilischoten auf dem Bild, wenn sie aus Italien kommen? Peperoncini? Dann können Sie entweder Italienisch, oder sind Deutschschweizer. In Deutschland sind sie als Peperoni bekannt. Verwirrenderweise nennt man so in der Schweiz das grössere, milde Gemüse aus der gleichen Familie, das es in rot, grün, gelb und neuerdings auch orange gibt. Das heisst in Deutschland Paprika, worunter man in der Schweiz ausschliesslich das Gewürz versteht. Weniger Gefahr von Missverständnissen besteht bei Zucchetti (CH) alias Zucchini (D). Beide Ausdrücke kommen übrigens aus dem Italienischen, doch in Italien heisst es meist „zucchina“, Plural „zucchine“. Ist irgendwann nichts mehr übrig, sagen Schweizer: „Es ist fertig“, wie die Italiener „finito“ sagen – was die Deutschen gerne missverstehen, rufen sie doch „Das Essen ist fertig“, wenn alles bereit ist.
Doch soll es nicht nur um Währschaftes, ahem, Nahrhaftes gehen: Zur Italianità gehört auch der Kaffee. Filterkaffee ist in der Schweiz fast unbekannt, es lebe der Nespresso. Deutsche denken bei italienischem Kaffee meist an Cappuccino und Latte Macchiato, die sie gerne morgens, mittags und nachmittags trinken. Ich erlebte einmal, wie deutsche Reisende in einer kleinen süditalienischen Bar völlig entrüstet waren, als nach dem vierten Latte Macchiato die Milch ausging – Milchkaffee am Nachmittag ist in Italien ähnlich verrückt wie für uns Suppe oder Pizza zum Frühstück. In dieser Hinsicht sind die Deutschschweizer ganz Italiener: Cappuccino am Nachmittag? Undenkbar. „So viel Milch, das liegt doch so schwer im Magen…“ Nach dem Abendessen, wenn die meisten Deutschen aus Angst um ihren Schlaf vor dem Kaffee zurückschrecken, greifen die Schweizer hingegen gerne wieder zu. Natürlich zum Espresso – Milch läge ja zu schwer im Magen.
Fotos: M. Großmann, pixelio.de; Julia Franke
byby
Die Namensgebung zum Paprikagemüse hat “natürlich” mit den historischen Handelswegen zu tun.
Ursprünglich würde die heutige, pleonastisch süsse Peperoni (Peperone, Einzahl, nur in Italian) aus Ungarn in die Schweiz eingeführt und hiess damals (bis ca. 1970/80?) auch noch Paprika; ganz entgegen der serbo-kratischen Bedeutung des Wortes, der für “die, die scharf ist” steht. Selbstverständlich wurde daraus auch ein Gewürz hergestellt, das eben gleich hiess und heute immer noch so heisst. Aber wie lange man schon zwischen dem süssen und der scharfen Paprikapfeffer unterscheidet, ist mir nicht klar.
Im Übrigen kann man in der Schweiz das Gewürz vom Gemüse durch den Artikel unterscheiden: Das Gemüse ist weiblich (die Paprika), während der Pfeffer in Verkürzung männlich angesprochen wird (der Paprika(pfeffer)).
Sobald aber die Paprika aus Italien vermehrt importiert wurde, hiess sie dann fortan die Peperoni; in Mehr- und Einzahl. Vermutlich wurde diese Veränderung der Namensgebung durch die grosse Einwanderungwelle aus Italien in den 60er bis 80er Jahren verursacht. Das würde auch erklären, warum die längere und vor allem scharfe Variante ab dann als Peperoncini in der Deutschschweiz bekannt und bezeichnet wurde. Aber auch heute noch, wenn auch höchst selten, wird die Peperoni als Paprika beworben. Das verstehen dann aber nur die älteren Semester korrekt.
Und schliesslich, um dem Hersprung der Paprika wirklich gerecht zu werden, denn schliesslich wurde sie ursprünglich aus (Süd-)Amerika nach Europa gebracht, kam mit der vermehrten Einwanderung von südamerikanischen und asiatischen Immigranten in die Schweiz und der damit verbundenen Einfuhr der kleinen (auch scharfen) Paprikaschoten bzw. Chilischoten auch die Chili in die Schweiz und bezeichnet fortan die kleinen, sehr scharfen Varianten der Paprika!
Man soll also nicht behaupten, die Schweizer hätten kein Bewusstsein für ihre Immigranten, da die Schweizer sogar “ihr” Gemüse entsprechend den Bezeichnungen der dafür verantwortlichen Immigrationsgruppen bezeichnet!
Danke für die spannende Ergänzung. Und die Information passt ja ganz gut zu meinen Ausführungen…
Die kleinen, sprachlichen Veränderungen in den unterschiedlichen Ländern können verwirrend und belustigend zugleich sein. Vor allem, wenn die Missverständnisse die Kommunikationspartner in eine peinliche Situation bringt… 😀
Da habe ich selber auf meinen Reisen auch schon die ein oder andere lustige Erfahrung gemacht. Bei Restaurantbesuchen fallen die Differenzen ganz besonders auf, da hinsichtlich Esskultur und Speisenbezeichnungen zum Teil große Unterschiede bestehen. Trotzdem probiere ich auf meinen Reisen immer gerne neue Gerichte aus, da die Spezialitäten nirgends so gut wie im Herkunftsland schmecken. 🙂