Und die Herrn der Schlossallee verlangen viel zu viel…

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Deutschland-Monopoly von 2007, erstmals wieder mit konkreten Adressen

Wie heisst die teuerste Strasse bei Monopoly? Das ist ja wohl einfach. Oder? Ausnahmsweise kommt es nicht auf den Kanton an, sondern nur auf das Land: In der Schweiz ist die teuerste Adresse selbst in der „Migros-Edition“ (ja, die gibt’s) der Paradeplatz in Zürich. In Deutschland heisst sie Schlossallee und liegt, ja wo eigentlich? Das weiss keiner so recht, denn auf dem üblichen deutschen Monopoly sind die Strassennamen fiktiv. Na gut, es gibt jede Menge Goethestrassen in Deutschland, aber sie könnte eben auch überall sein. „Schlossallee“ kennt dafür jeder Deutsche als Synonym für eine besonders teure Wohnlage. Sogar in Klaus Lages Song „Monopoli“ kommt sie vor. Wer traurig ist, dass es sie nicht wirklich gibt, kann sich im Zürcher Schlössliweg trösten. Klingt etwas bescheidener, ist es aber nicht wirklich. Statt Bahnhöfen gibt es im Schweizer Monopoly – nicht Monopoly wie in Deutschland, sondern Monopoly – passenderweise Seilbahnen.

Aber warum verzichtet das deutsche Spiel, im Gegensatz zu so ziemlich allen anderen Ausgaben, auf einen realen Bezug? Das habe ich tatsächlich gerade erst herausgefunden: Vor dem Krieg gab es ein Spielbrett mit realen Berliner Adressen, von Huttenstrasse über den Alexanderplatz und die Friedrichstrasse bis zur Insel Schwanenwerder, sozusagen als Vorgängerin der Schlossallee oder Gegenpart zum Paradeplatz. In Schwanenwerder, einem Berliner Nobelviertel, wohnte auch der nationalsozialistische Propagandaminister Joseph Goebbels sowie andere Nazi-Grössen. Er liess das Spiel 1938 nach nur wenigen Jahren bereits verbieten, offiziell wegen seines „jüdisch-spekulativen Charakters“. Man braucht aber nicht viel Fantasie, um zu vermuten, dass Goebbels an der Auswahl der teuersten Adresse keine Freude hatte.

Bei der Neuauflage 1953 war Berlin eine geteilte Stadt. Aber vielleicht wollte Parker Brothers auch nur allen Problemen aus dem Weg gehen, als sie sich für fiktive Strassennamen entschieden. Schade eigentlich, denn junge Schweizer (und andere Nationalitäten) lernen beim Spielen gleich noch etwas über die Geografie ihres Landes. Übrigens gibt es in Berlin tatsächlich eine Schlossallee, witzigerweise in Pankow, wo in DDR-Zeiten Walter Ulbricht, Erich Honecker und Wilhelm Pieck wohnten. Kein Wunder, war das Spiel in der DDR verboten.

Erst über fünfzig Jahre später gab es nach einer gross angelegten Internetabstimmung ein „Monopoly Deutschland“ mit konkreten Adressen in ausgewählten Städten. Ist es politische Correctness, dass ausgerechnet Saarbrücken, das in Deutschland eher als Armenhaus gilt, die Nachfolge von Schlossallee und Schwanenwerder antreten durfte? Immerhin hat die Stadt ein Schloss zu bieten, wie sicher fünfzig weitere Städte auch. Zweitteuerster Standort, früher Parkstrasse, in der Schweiz Place St-François in Lausanne, ist beim Deutschland-Monopoly das Brandenburger Tor in Berlin. Nicht aber die Insel Schwanenwerder.

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