Im Lokalteil klingen Schweizer Zeitungen noch etwas mundartnäher – das ist normal. In einem Tagi-Artikel über die „Husi“ in Zürich haben die Autoren Helene Arnet und Marius Huber sogar mich überfordert.
„Husi“, das ist der traditionelle schulische Hauswirtschaftskurs, der derzeit im Kanton Zürich für einen Teil der Schüler nur freiwillig stattfindet, mit erstaunlichem Erfolg. Weil „Husi“ noch nicht dialektisch genug ist, muss ein Synonym her: die „Rüebli-RS“. Rüebli werden die meisten deutschen Leser noch mühelos als Karotte oder Möhre deuten, aber RS? Das ist in der Schweiz die Rekrutenschule, die dem früheren Grundwehrdienst in Deutschland ähnelt, aber kürzer ist, weil anschliessend noch mehrere WK – Wiederholungskurse – folgen. Eine Lücke bei der „Husi“ gibt es übrigens für Gymeler. Auch diesen Ausdruck werden nichtschweizer Leserinnen und Leser zwar nicht kennen, doch wohl verstehen.
Doch bei den Tipps „Wie Ihr Kind auch ohne ‚Husi‘ sein Leben in den Griff bekommt“ stiess ich an meine Grenzen: „Er (ohne ‚Husi‘) behauptet, man müsse einen sauberen Wiefel hinkriegen, was sie (mit ‚Husi‘) vehement bestreitet“. Hä? (Kleiner Einschub nutzlosen Wissens: Angeblich gibt es einen Ausdruck wie „Hä?“ in so ziemlich allen Sprachen.) Auch wenn der Zusammenhang klar ist – im Satz davor sollte ein Kind einen Knopf annähen und mit der Maschine eine gerade Naht „büezen“, also arbeiten können: Von einem Wiefel habe ich echt noch nie gehört.
Googelt man den Begriff, staunt man, wie viele Menschen Wiefel heissten. Auch auf die aktuellen Wörterbücher ist kein Verlass: Weder das fast 1000 Seiten starke Variantenwörterbuch noch Langenscheidts „Schweizerhochdeutsch“ kennen den Wiefel, nicht einmal das ausführliche www.dialektwoerter.ch führt ihn auf. Da muss man schon auf ältere Werke zurückgreifen: Im zum Glück online verfügbaren Grimmschen Wörterbuch kommt der Wiefel vor: Als „Zungenfeifel beim Pferde“ oder als „Eintrag oder Garn, so von der Weberspule in den Zettel geschoszen wird“. Hier kommen wir der Sache schon näher. Für „wiefeln“ bieten die Grimms neben „stopfen“ auch „eine Ziernaht nähen“. Ob das wohl gemeint ist? Man lernt jedenfalls nie aus.
byby
Das ist ja mal ein informativer, sorgfältig mit Liebe zum Detail geschriebener Artikel. Vielen Dank! 🙂
Danke ebenfalls – das ist ja mal ein Kommentar, den man gerne liest… 🙂